Tuesday, May 6, 2008

Post 1: Was geht ab?

Heute sind es auf den Tag genau neun Monate, seitdem ich hier in der „Stahlstadt“ angekommen bin, und da die Dauer meines sogenannten „ersten akademischen Jahres“ in der besagten Stadt mehr oder weniger auch neun Monate betrug, dachte ich mir, dass es endlich mal an der zeit wäre, den lange angekündigten deutschen Blog Roberto Ponces aufzumachen. Na ja, natürlich hat die Tatsache, dass ich gerade heute den Anfang mache, auch damit zu tun, dass die Zahl „neun Monate“ an sich einen ziemlich eindeutigen symbolischen Charakter besitzt. Auch wenn ich gerne zugebe, dass bereits der Gedanke, diese erste Folge bzw. diese erste Post als eine art „Geburt“ zu bezeichnen, total doof und unangemessen ist, um keine noch schlimmere Worte zu benutzen, muss ich zu meiner Verteidigung sagen, dass ich mich mit seiner Hilfe (des Gedankens [für die, die meine extrem langen Sätze zurecht nicht leicht verfolgen können]) dazu gezwungen habe, entweder dies hier heute oder die ganze Sache eben sein zu lassen.

Oder vielleicht warten, bis das erste Pittsburgh-Jubiläum im August „gefeiert“ wird?

In der Tat klingt es für mich ein bisschen komisch, von gerade mal neun Monaten zu sprechen, denn ich habe dabei das Gefühl, seit Ewigkeiten hier zu sein, oder wenigstens –und es ist nicht genau das selbe– seit Ewigkeiten nicht in Hamburg gewesen zu sein. Ich meine, Leute, jetzt habt ihr sogar Schwarz-Grün! Und hätte ich nur nicht fast jeden Tag in die deutsche Presse geblättert (tja, Pascal, so leid es mir tut, und in der Tat tun mir schon jetzt die Ohren weh, weil ich höre, wie du schreist, dass ich ein Idiot sein muss, um dieses unsägliche Blatt zu lesen, ist es meistens Spiegel Online…), würde ich jetzt nicht verstehen, dass sowohl Münterfering als auch Stoiber weg sind (na ja, jedenfalls teilweise weg…), Eva Hermann nicht mehr beim NDR ist, dass mittlerweile sogar der gute alte –und zwar sehr alte– Altkanzler Schmidt Schnupftabak konsumieren muss, weil die Inquisition gegen RaucherInnen weitergeht, und dass Ross Antony (ex-Bro’Sis, für die Intellektuellen unter Euch) der derzeit amtierende Dschungelkönig ist?

Zum Glück gibt es auch immer Konstanten: Bayern ist schon wieder Meister, auf RTL läuft schon wieder DSDS, Wahlkampagnen werden immer noch zu „Integrations-debatten“ umgewandelt, und am Ende ist Lafontaine sowieso immer schuld.

Erstaunlicherweise bin ich über die USA gar nicht so gut informiert, was ich darauf zurückführe, dass ich hier weder fernsehe noch einer Tageszeitung gefunden habe, der ich so treu werden könnte wie seinerzeit die Hamburger Mopo.

Hier gibt es bekanntlich einen Wahlkampf, zum Beispiel, aber die meisten Informationen, die ich darüber habe, habe ich auch über die deutsche Presse erhalten. Was aber auch nicht ganz so stimmt, weil es –auch bekanntlich– eine primary in Pennsylvannia gab, sodass Obama nicht einmal sondern zweimal auf dem Campus war, um für seinen linguistic turn zu werben, oder mit anderen Worten für den inflationär verwendete Begriff change, der meiner Meinung nach eben „nur“ rhetorisch ist und somit die Bezeichnung linguistic turn verdient hat.

Ha ha – ich weiß schon, dass der Scherz ziemlich schlecht ist, aber a) ich habe ja nie behauptet, besonders lustig zu sein (und weniger noch, dass mein deutscher Blog besonders lustig sein würde), b) ich schreibe gerade an der Uni, was in den Vereinigten Staaten das gleiche wie nüchtern bedeutet (in Deutschland war es zum Glück, oder eben nicht, ein bisschen anders), ergo bin ich nicht sehr inspiriert, um das so zu formulieren, c) den Witz habe ich gerade eben erfunden und noch nicht an meinen gelegentlichen ZuhörerInnen probiert, und d) man merke, wie ich Anführungszeichen für das Wort „nur“ benutzt habe, als ich „nur“ rhetorisch meinte. Letztlich bin ich jetzt ein Literaturwissenschaftler (!), und meinen bis vor relativ kurzem übrig bleibenden Glauben and die Wahrheit jenseits der Diskurse, der bei den Historikern noch vertretbar (wenn auch schon sehr rückständig) war, ist jetzt völlig fehl am Platz.

Mit anderen Worten, vielleicht ist ein „nur rhetorischer“ Wandel ein „wirklicher“ Wandel auch, oder jedenfalls as „wirklich“ as they come


Hillary war übrigens auch in Pittsburgh, aber sie trat nicht an der Uni auf, sondern an einer Tankstelle, die den Ruf hat, die älteste von den USA zu sein. No shit. Es ging darum, über die Ölpreise und die Energiekrise zu sprechen.

No shit, again.

Ich habe aber keinen von beiden gesehen, zum einen, weil ich an den jeweiligen Tagen nicht konnte (ich wundere mich selbst darüber, dass das möglich ist, aber ich würde mein Leben hier schon als „stressig“ bezeichnen) oder von den Veranstaltungen erst im Nachhinein erfahren habe, und zum anderen aber auch, im Falle von Obama, weil die Massenhysterie, die der Typ –und gerade an den Universitäten– erzeugt, es beinah unmöglich macht, ihn zu sehen, wenn man kein eingefleischter Fan von ihm ist. Also wollte ich nicht mindestens sechs Stunden auf einer Schlange warten, um dann nur noch einen Scheißplatz ergattern zu können, seinen letzten Hit singen (es wäre wohl Yes, We Can!) und am Ende mir noch einen T-Shirt für 15 Dollar kaufen zu können.

Nichts für mich, aber um ganz ehrlich zu sein muss ich schon sagen, dass ich es für einen Augenblick schon in Betracht gezogen habe…

Aber nein, ich mag lieber andere Pop-Stars, und insbesondere welche, die nicht von neuen frontiers sprechen, und von der „heldenreicher“ Geschichte, die die Eroberung der wilderness im Westen der USA angeblich darstellt, wie Obama das so gerne tut…

Beispielsweise mag ich lieber Stereo Total, eine Band aus Deutschland, die wie keine andere die „deutsch-französische Freundschaft“ bildlich oder eher hörbar verkörpert. Sie ist auch die einzige Band, die ich bisher in Pittsburgh gesehen habe (!), und zwar gleich zwei Wochen nach meiner Ankunft, also vor etwa achteinhalb Monaten. Die kamen –wohl zum ersten Mal– zum Andy Warhol Museum, um dort ein Konzert zu machen, das ich buchstäblich nicht verpassen konnte. In der Tat habe ich es so wahrgenommen (Roberto schon wieder im Zentrum der Welt und im Kampf gegen ihre Elementen), als ob sie gekommen wären, um mir dabei zu helfen, zu begreifen, dass ich eben nicht mehr in der sexy Hansestadt war, und dass es vielleicht auch Gutes in der weniger gepflegten, proletarischen Stadt Pittsburgh gab… sogar Konzerte von Stereo Total!

Und weil ich nun aufhöre, erstens um Euch nicht weiter zu langweilen, und zweitens auch um mich auf den Weg zum Abschied einer von meinen wenigen wirklichen FreundInnen zu machen (mehr dazu vielleicht bald), lasse ich Euch mit einem Video von Stereo Total. Da ich letztlich auch meinen mittlerweile so gut wie toten spanischen Blog mit einer Geschichte über diese, eine meiner Lieblingsbands aller Zeiten, anfing (es sind schon fast drei Jahre vergangen!), dachte ich mir, dass das ein würdevoller Schluss für eine erste Post sein würde…




Ich sage mal bis bald.

Roberto